1947 Rationierung der Seife im Zweiten Weltkrieg 

In Folge der politischen und ökonomischen Lage  gegen Ende der 30er Jahre begann in der Schweiz die Bezugssperre für knapp vorhandener Güter. Am 29. August 1939 erfolgte ihre Rationierung. Unter Ausschaltung des Marktes regelt Rationierung die Verteilung von beschränkt zugänglichen Gütern und Dienstleistungen. Vorerst waren Zucker, Hülsenfrüchte, Getreideprodukte, Fette und Öle betroffen, später kamen Fleisch und Milch hinzu. Die Rationierung wurde bis zum Kriegsende fortgesetzt und vom Frühling 1945 bis zum Juli 1948 wieder stufenweise aufgehoben.

Die hier abgebildeten Karten für Seife und Waschmittel, die in drei Landessprachen beschriftet sind, stammen aus der allerletzten Rationierungszeit. Die in der Seife enthaltenen Öle und Fette waren wohl grösstenteils importiert und dadurch auch nach Kriegsende schwer erhältlich.

Foto: Privatbesitz. Quelle: Bernard Degen, Rationierung, in: Historisches Lexikon der Schweiz: www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D13782.php / 5.3.2011.

1900 Alepposeife im 19. Jh. 

Gustaf Dalman (1855-1941), der uns die folgenden Beschreibungen überliefert, war nicht Seifensieder, sondern Theologe. Er bereiste die Länder der Bibel, um aus den Kulturtechniken der Agrargesellschaften, die er vorfand, Rückschlüsse auf die Geschichte Israels zu ziehen. Dadurch, dass er im folgenden Text drei Seifensiedereien auf‘s Mal beschreibt, ist der Bericht nicht ganz einfach zu verstehen. Trotzdem ist er ein wertvolles Zeitdokument für die Zeit um 1900.

„In Aleppo wurde die Asche aus Kalipflanzen gemahlen und gesiebt, dann mit gelöschtem Kalk und Wasser vermischt und die Masse schliesslich in einen grossen Trog gefüllt (b). Die Tröge für die Kalimasse waren mit einer Wasserleitung (a) verbunden und hatten einen Abfluss in einen tiefer gelegenen, kleineren Trog (c). Nochmals tiefer lag rechts ein runder Platz, in dessen Mitte ein Kupferkessel eingelassen war, den man von unten mit Oliventrester – und nicht etwa mit rarem Holz! – heizte.

Die Masse, die von den quadratischen Trögen (b) nach den schmalen (c) abfloss, war erst rötlich und wurde solange mit Handeimern zurückgeschöpft, bis sie farblos war.

Unterdessen hatte man im Kessel Öl erhitzt, welches der Masse in den Trögen beigegeben wurde. Dabei floss wiederum Wasser unten ab und wurde während drei Tagen oben wieder nachgefüllt. Dann wurde das Wasser abgelassen und die Masse in den Kupferkessel gefüllt und sieben Stunden gekocht. Nach zwölf weiteren Stunden schied nochmals Wasser aus, welches für den nächsten Sud aufbewahrt wurde. Die Masse wurde abgeschöpft und durch eine Öffnung in den darüber liegenden, mit Kreidekalk bestreuten Dachboden gebracht (auf der Abbildung nicht sichtbar). Dieser war mit Giebeldächern bedeckt und zur Seite hin offen für gute Belüftung. Nach einigen Stunden wurde die Seife in Stücke geschnitten, aufgestapelt und mindestens vier Monate getrocknet. Bis 1932 gehörte Seife zu den wichtigen Exportgütern Palästinas.“

„Seife aus Nablus, um 1900. Verziert mit moslemischen Heiligtümern.“

 

Im 19. Jh. wurde in den östlichen Mittelmeerländern ein Grossteil des Olivenöls für die Seifenproduktion verwendet.

Die folgende Angabe der Rezeptur veranschaulicht die Grösse der oben beschriebenen Anlage:

Für einen Sud verwendete man – umgerechnet ca.

3337 kg Öl, 1350 bis 2700 kg Kali und 810 kg Kalk.

Seifenherstellung der Beduinen vor 1900:

Die Beduinen verbrannten einen Haufen von saponinhaltige Pflanzen, der mit Erde bedeckt wurde. Dabei trat Saft aus den erhitzten Pflanzenteilen, der in eine Grube abfloss. Dort liess man ihn erstarren und schnitt ihn in Stücke, die nach Aleppo geliefert wurden.

(Quelle: Gustaf Dalman, Arbeit und Sitte in Palästina, Bd. IV, Brot, Öl und Wein, Gütersloh 1935, S. 273-277; Abb. 79)

 

 

1830 Die Erfindung synthetischer Duftstoffe

Ätherische Öle waren bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts die einzigen Duftstoffe, die für Seifen in Frage kamen. Die Seifensieder mischten sie nach ihrem über Jahrhunderte tradierten Erfahrungsschatz der Seife bei.

Ab 1830 konnten die ätherischen Öle von Chemikern in verschiedenen Analysen in ihre Bestandteile zerlegt werden. Otto Wallach (1847-1931) erhielt für seine Forschungen auf diesem Gebiet 1910 den Nobelpreis. Er charakterisierte eine Reihe von Terpenen (Kohlenwasserstoffmoleküle), u.a.  Linen, Camphen und Pinen.

Nachdem nun die Zusammensetzung der natürlichen Duftstoffe bekannt war, konnten sie in den folgenden Jahrzehnten synthetisch hergestellt werden. So wurden die Duftstoffe billiger und konnten in viel grösseren Mengen produziert werden. Nur wenige Pflanzen haben ihr Duftgeheimnis gut gehütet: Freesien-, Weihrauch- und Myrrhenduft kann bis heute nicht synthetisch hergestellt werden.

Quellen: Christina Brede: Das Instrument der Sauberkeit, Die Entwicklung der Massenproduktion von Feinseifen in Deutschland 1850 bis 2000. Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt Bd. 26, Münster 2005. S. 111-113.

1688 Edikt von Colbert

Mit dem Edikt von Colbert vom 5. Oktober 1688 regelte Louis XIV die Fabrikation der Seife. Insbesondere wird angeordnet, dass nur Olivenöl – unter keinen Umständen neues – und kein tierisches Fett verwendet werden darf und dass die Seife unter guter Lüftung gelagert werden muss. Im übrigen werden der Einkauf der Rohmaterialien und der Wiederverkauf geregelt. Bei Zuwiderhandlung wird die Seife konfisziert zu Gunsten der lokalen Krankenhäuser! Im übrigen lassen die jeweils angedrohten Strafen keinen Zweifel an der Härte der Obrigkeit. Aus dem Text geht  auch hervor, dass die damals produzierte Seife von hellgelber Farbe war.

Angeline Bauer, Die Seifenmacherin, Berlin, 2. Aufl. 2006, S. 354-368

Originaltext:

 

07. Jh. v. d. Z. Seife in der Bibel

Im Buch Jeremia findet sich ein Hinweis auf den Gebrauch der Seife – bzw. Waschkraft fördernde Stoffe

Der Prophet Jeremia war ein sehr volksnaher Prediger  und wählte bildhafte  verständliche Worte. Um dem Volk Israel seine Schuld klarzumachen sagt er: „Ja, wenn du dich schon wüschest mit Lauge und noch so viel Seife dir nähmest – der Schmutzfleck deiner Schuld bleibt doch vor mir, spricht der Herr. (Zürcher Bibel 1970; Jer 2,22) In seiner hebräischen Urfassung spricht der Text von נתר (Neter – Soda) und בורית (Borit – Seifenkraut).

Jeremia, der im 7. Jh. v. Chr. lebte, setzte also voraus, dass jedermann wusste, welchen Effekt Soda und Seifenkraut hatten.

Saponaria officinalis (Foto: Javier Martin)

Seifenkraut ist ein Nelkengewächse und gedeiht in allen gemässigten Zonen sowie in semiariden Gebieten. Im Altertum wurde es vorerst zum Waschen von Wolle und Kleidungsstücken verwendet: Kocht man Wurzel oder Rhizom in Wasser, so bildet sich eine schäumende Lauge. Eine andere Anwendung bestand darin, dass man mit dem angeschnittenen Pflanzenteil das Textilstück direkt bestrich.

Das Mineralsalz Soda wurde durch Meerwasserverdunstung an den Ufern von sog. Soda- oder Natronseen gewonnen. Bekannt waren damals in jener Region die Sodaseen in Ägypten.

Natronsee im Tschad (Foto Stefan Thüngen)

1935 Lavendelseife in Estland

Roman Fegefeuer

von Sofie Oksanen (Köln 2000)

Ingel und Aliide sind zwei Schwestern, die auf einem Hof auf dem Land leben. Die Familie lebt wohl weitgehend autark und verwertet alles, was wächst und gedeiht. Während Aliide von Selbstzweifeln geplagt ist, ist Ingel überall erfolgreich, so auch im Haushalt. Nicht nur kocht und bäckt sie ausgezeichnet, sondern sie ist auch im ganzen Dorf für ihre Lavendelseife bekannt. Diese siedet sie in der Küche, gibt ihr Lavendelblüten bei und lässt sie in Holzformen, die mit Tüchern ausgelegt sind, erstarren.

Dies ist nur eine kleine Episode des Romans Fegefeuer und doch haftet an Ingel, so scheint es beim Lesen, der feine Lafendelduft und macht sie zu einer stolzen und begehrenswerten Frau.

 

 

 

 

 

1650 Die Seifensiederin

Sehr eindrücklich und gut recherchiert schildert die Autorin Angelina Bauer in diesem Roman, welchen Stellenwert ein Stück Seife im Frankreich des 17. Jahrhunderts hatte. In einer Zeit, in der Juden der Brunnenvergiftung bezichtigt wurden und Hexen auf den Scheiterhaufen kamen, wollte sich niemand waschen aus Angst vor „vergiftetem Wasser“, aus Unkenntnis und Aberglauben. Man erfährt, wie eine Seifensiederin mit Magie in Verbindung gebracht wurde und wie schwierig es war, diesem Aberglauben zu entrinnen – aber auch, wie man ihn nutzen konnte.

Im Hinterhof bewahrte die Seifensiederin Marthe ihre hölzernen Aschefässer auf. Diese hatten Löcher im Boden und darüber war eine Schicht Kies aus dem nahen Fluss gestreut. Das Kies wiederum war mit Stroh bedeckt und darauf wurde die Hartholzasche geleert.
Um Lauge zu gewinnen leerte die Seifensiederin heisses Wasser in ihr Aschefass, liess es durchsickern und fing es unten wieder auf. Diese Prozedur wiederholte sie mehrmals. Danach liess sie die so gewonnene Lauge in einem weiteren Fass ruhen, damit sich der Schmutz am Boden setzte.

Im Keller stank es entsetzlich nach fauligem Fleisch, da hier der ausgelassene Rindertalg aufbewahrt wurde, der sich – so die Seifensiederin – ranzig besser verseifen lasse. Marthe verrät auch ihr Rezept: Sieben Teile Fett auf einen Teil Lauge und dazu etwas Mehl als Verdickungsmittel. Nach Einsetzen des Verseifungsprozesses wurde die Seife in eine Wanne geleert und noch gelegentlich umgerührt. Nach vier mal sieben Tagen war sie zum Gebrauch bereit und wurde in Stücke geschnitten. Die aus Talg gefertigten Wäscheseifen waren für die Bürgersleute bestimmt. Für die edlen Damen stellte Marthe reine Olivenölseife her, indem sie erst Seife siedete, diese dann nach ein paar Wochen Lagerung raspelte und im Wasserbald in einem Kupferkessel einschmolz. Dieser Masse gab sie das sehr kostbare Duftöl bei und liess die Seife nochmals in Holzformen hart werden. Jetzt wurde sie im Schutz der Nacht als Liebeszauber an edle Damen verkauft. (Die Seifensiederin, Berlin 2006, S. 96-102)

Das Buch schildert die Zustände vor dem Edikt von Colbert (1688) und gibt dieses historische Dokument am Ende in Deutsch wieder.

 

Edikt von Colbert 1688

 

 

2013 Die Seife

Wie stolz sie war, wie üppig sie anfangs
geduftet hat! Durch wie viele Hände
sie gegangen ist, wie entsagungsvoll
sie gedient hat, und immer von neuem
war da der Dreck. Unbefleckt
ist sie geblieben. Klaglos
hat sie sich selber verzehrt.

So ist sie immer kleiner und kleiner
geworden, unmerklich, dünn,
beinahe durchsichtig, bis sie eines
Morgens vollkommen verschwunden war.

Hans Magnus Enzensberger, aus dem Band «Blauwärts» Suhrkamp 2013,
publiziert mit  Genehmigung des Verlags